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1/22 Erschöpfung - Leseprobe

Cover der Erschöpfung-Ausgabe

Barbara Wittmann

Fatigue vor Covid 19
Eine Patientinnensicht auf Gender-Aspekte, Psychosomatisierung und medizinische (Nicht-)Wissensregime bei ME/CFS

Im Oktober 2021 wurde die Petition zur „Angemessene[n] Versorgung von ME/CFS-Erkrankten“ mit dem Ziel, sowohl eine bessere Aufklärung als auch vor allem Versorgung und Therapie der Betroffenen zu schaffen, beim Deutschen Bundestag eingereicht. Im Text wird zur Notwendigkeit dieses Schrittes erklärt:

„ME/CFS ist seit 1969 von der WHO als Erkrankung des Nervensystems klassifiziert. Die Anzahl der im Inland an ME/CFS (lang: ,Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom‘) Erkrankten wird auf 250.000 geschätzt […]. Ein wohl noch größeres Problem besteht aber darin, dass die Erkrankung selbst bei richtiger Diagnose hinsichtlich ihrer Schwere, Komplexität und dem Maß der Beeinträchtigungen meist vollständig verkannt wird.“[1]

Mittlerweile haben die Organisator:innen innerhalb von nur vier Wochen die über 50.000 Unterschriften erhalten, die sie für eine öffentliche Anhörung im Parlament benötigten. Dass ihr Anliegen erfolgreich war und von einer relativ breiten medialen Berichterstattung begleitet wurde, hängt vor allem mit Covid 19 zusammen. Seit Ausbruch der Pandemie häufen sich Fälle von Menschen mit Langzeitfolgen, auch nachdem die akute Virusinfektion längst überstanden ist. Das sogenannte Post-Covid-Syndrom[2] betrifft schätzungsweise eine:n von zehn Erkrankten[3] und ist mittlerweile zu einem ernsthaften Problem für das medizinische System geworden, dem es sowohl an dafür geschultem medizinischen Personal als auch geeigneten Therapiemethoden fehlt. Als eines der Hauptsymptome inmitten einer Vielzahl komplexer und diffuser Beschwerden gelten schwere Erschöpfungszustände, die wiederum bereits vom Chronic-Fatigue-Syndrom bekannt sind – einer Krankheit, die bislang kaum öffentliche Aufmerksamkeit erhielt.

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1/22 Erschöpfung - Inhalt

Pandemiebewältigung zwischen kreativ-schöpferischen Praktiken und erschöpften Möglichkeiten
Jana Brass, Ruth Dorothea Eggel, Valeska Flor, Victoria Huszka, Michaela Ressing und Jasmin Sina

 

Fatigue vor Covid 19
Eine Patientinnensicht auf Gender-Aspekte, Psychosomatisierung und medizinische (Nicht-)Wissensregime bei ME/CFS
Barbara Wittmann

 

Mikropolitiken des Atmens
Der postfordistische Arbeitskörper zwischen Erschöpfung und Erholung
Michaela Bstieler

 

Burnout als Metapher
Über die Normativität und Exklusivität zeitgenössischer Erschöpfungsdiagnosen
Toni Reichert

 

Erschöpfte Räume?
Über den ‚Kampf‘ um öffentlichen Raum am Beispiel der Grazer Skater:innen
Susanne Sackl-Sharif

 

„Es wird brenzlig.“
Erschöpfte Ressourcen im Geigenbau
Lea Breitsprecher

 

Schöpferische Erschöpfung
Netzwerkbildungsprozesse bei Lehrkräften an Förderschulen
Kathrin Stiegler

 

Er-/Schöpfung: Vom schöpferischen Tun über die zweifelnde Erschöpfung bis zum Gleichgewicht der Schöpfung
Vignetten aus meiner Forschungspraxis & Reflexion der post-pandemischen Erschöpfung
Claudia Willms

 

Außer Atem, ein Podcast
Justin Winkler
(Online unter: https://cba.fro.at/568609)

 

Kunstinsert
Reni Hofmuller

1/22 Erschöpfung - Außer Atem. Ein Podcast.


Ein Feature von Justin Winkler für die Themennummer Erschöpfung von Kuckuck, Notizen zur Alltagskultur (Graz) 1/22 vom Juli 2022 und Radio Helsinki. Das Motiv des außer Atems Geraten ist aus Gangsterfilmen bekannt. Es wurde musikalisch übersetzt, weshalb das Feature sich um ein Stück von Dave Brubeck dreht, das Claude Nougaro in einem Chanson aufgenommen hat. Gleichzeitig und indirekt geht es beim ausser Atem Geratens um die Erschöpfung der planetaren Ressourcen und den Umkehrpunkt einer Flucht vor der Verantwortung.

Es sprechen Barbara Belic, Frank Busch und Justin Winkler. Zu hören sind Dave Brubecks »Blue Rondo alla Turk« (1959), Claude Nougaros »A bout de souffle« (1966) und Martial Solals Filmmotiv in »A bout de souffle« (1960). Robert Walkers Metronom-Analyse (2012) unterstreicht die rhythmische Besonderheit.

Zum Podcast: https://cba.fro.at/568609

 

 

 

 

 

1/22 Erschöpfung - Editorial

Zur Einführung

Erschöpfung ist ein paradigmatischer Begriff unserer turbulenten und anstrengenden Zeit. Vieldeutig, antagonistisch und ambivalent eignet sich „Erschöpfung“ als Kulturbegriff, der Kunst, Ökologie, Politik, Individuum, Alltag und sogar die Lebensdauer von Materialien betrifft, um grundlegende Dimensionen der Gegenwart zu erfassen, zu illustrieren und in ihrer bisweilen paradoxalen Komplexität greifbar zu machen.

Die Zeit der weltweiten epidemischen Verbreitung eines mutierenden Virus seit Anfang des Jahres 2020, die damit verbundene Krankheitsgefahr und -angst, die Regierungserlasse und Schutzmaßnahmen als Versuche der Eindämmung haben das komfortgewohnte Westliche Individuum des 21. Jahrhunderts mit zuvor in dieser Weise nicht gekannten Bedrohungsszenarien und Zukunftsängsten konfrontiert. Diese pandemiebedingten Zukunftsängste überlappen sich mit weiteren Krisenerfahrungen im Zuge von Klimaveränderung, Kriegsgeschehen und gesellschaftlicher Fragmentierung. Bei vielen Menschen führen diese Erfahrungen zu Hinterfragung und Verzweiflung, zu einem andauernden Zustand der emotionalen Erschöpfung, der Lähmung und Hilflosigkeit.

Solche Krisen fordern jenseits des Sanitären individuelles, gesellschaftliches und Regierungshandeln (heraus). Mit einem historisierenden Blick auf die letzten 70 Jahre stellt diese Krise sich in gewisser Weise als Endetappe einer zunächst vielversprechenden Entwicklung dar, deren Ressourcen, Systeme und Strukturen, Versprechen, Möglichkeiten und Hoffnungen sich erschöpfen, ohne dass sich das erhoffte „Neue“ abzeichnet: die Utopie, die Perspektive, die Verbesserung.

Diese für die Gegenwart noch greifbare und in ihren Effekten spürbare historische Entwicklung erstreckt sich zunächst über die mancherorts „glorreich“ genannten Nachkriegsjahrzehnte des „grenzenlosen Wachstums“. Es sind die Jahre des ökonomisch-technischen „Aufbaus“, der von der Arbeiter:innenschaft und den Gewerkschaften erkämpften sozialen Werke, der (noch) klaren politischen Positionen; die Jahre des „Kalten Krieges“ als ideologische Hintergrundmelodie und regulierendes Bedrohungsszenario, der Geburt der über die Bedarfsdeckung hinausgehenden Produktions- und Konsumgesellschaft des Überflusses.

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