1/04 Angst - Leseprobe
Helena Flam und Jochen Kleres
Angst vor Migranten und Migrantenängste
1. Einleitung
Während Angst sehr oft in verschiedenen populären wie wissenschaftlichen Diskursen zur Fremdenfeindlichkeit auftaucht, wird sie dort dennoch meist unzureichend theoretisiert. Insbesondere die Konzepte der sich seit Mitte der 70er Jahre rasch entwickelnden Emotionssoziologie (s. Übersicht in Flam 2002) werden weitgehend nicht beachtet. Dies gilt auch für neuere, Angst stärker ansprechende Arbeiten zum Thema (z.B. Rippl 2003; Wahl 2002; Wahl, Tramitz und Blumtritt 2001). Demgegenüber möchten wir hier eine neue Perspektive skizzieren, die das Konzept der Gefühlsregeln (Hochschild 1979; 1990) für eine Theorie der Fremdenfeindlichkeit nutzbar macht. Damit wird insbesondere eine kulturelle Perspektive auf Fremdenfeindlichkeit eröffnet. Wir werden zeigen, dass wissenschaftliche, mediale und politische Diskurse Angst als Gefühlsregel im Umgang mit dem "Fremden" in Deutschland diktieren und wie diese Emotion die Gesetzgebung beeinflusst. Im zweiten Teil wird an Hand von Interviews mit Migranten und ihren Kindern gezeigt, dass Angst, Misstrauen und Verdächtigung das Verhalten der Deutschen und der deutschen Behörden den Migranten gegenüber weitgehend bestimmen. Umgekehrt, erfahren auch die "Fremden" in dieser Situation vielfache Ängste. Insgesamt möchten wir unser Hauptaugenmerk auf die sogenannte "Mitte der Gesellschaft" richten und werden Rechtsextremismus daher nur in seinem Bezug dazu diskutieren.