Deprecated: Methods with the same name as their class will not be constructors in a future version of PHP; plgContentenbed_pdf has a deprecated constructor in /home/.sites/96/site2687650/web/kuckuck/plugins/content/enbed_pdf/enbed_pdf.php on line 25 Deprecated: Methods with the same name as their class will not be constructors in a future version of PHP; EnbedBrowser has a deprecated constructor in /home/.sites/96/site2687650/web/kuckuck/plugins/content/enbed_pdf/browser.php on line 25

Cover der Nachkommenausgabe

Gerlinde Malli, Diana Reiners, Gilles Reckinger
Marginal, widerständig, verwaltet
Einblicke in die Lebensrealitäten der Grazer Punkszene


Der Hauptplatz der Stadt Graz, zwischen Rathaus und Erzherzog-Johann-Denkmal, ist der Stammplatz einer jugendlichen Randgruppe, deren Kleidungsstil und Auftreten sie als "Punks" erkennbar zu machen scheint. Grellgefärbte Dreadlocks, Irokesenschnitt, weite Armeehosen und Springerstiefel, zerfetzte Shirts, Kapuzenpullover, Ketten und Nietengürtel - auf den ersten Blick die Attribute eines subkulturellen Stils dieser Szene von Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Das mediale Bild, das von den "Punks", die sich den symbolischen Raum aneignen, hier herumsitzen, sich unterhalten und Bier trinken, gezeichnet wird, ist das einer "problematischen", Ordnung und Sicherheit gefährdenden Gruppe Widerständiger. Doch sind sie die Nachfahren einer "rebellischen" Punkkultur der 1970er und 1980er Jahre, als die sie erscheinen? In einer Studie im Auftrag des Sozialamtes der Stadt Graz haben wir Einblicke in die Lebenswelten dieser Grazer Randgruppe gewonnen, sind wir den Spuren der Diskurse, Zuschreibungen und politischen Interessen nachgegangen, um die strukturellen Bedingungen, die Perspektiven und Lebensrealitäten zu verstehen. "Punk" ist nicht nur die Selbstbezeichnung einer stilbildenden Jugendkultur, sondern auch eine Zuschreibung von außen, die mit unterschiedlichen Konnotationen behaftet ist. Dass viele, die der Gruppe angehören, sich selbst gar nicht als "Punk" bezeichnen oder diese Zuschreibung als Stigmatisierung empfinden, bleibt weitgehend unbeachtet.

Die Entwicklung des Stils Punk

Die begriffliche Unschärfe um die Konnotationen von "Punk" ist deshalb bedeutsam, weil sie Raum schafft für vielfältige Projektionen, Missverständnisse, Interpretationen, die ein Verständnis der Lebenswelten der betroffenen Menschen erschweren. Die diskursive Vermischung von künstlerischem Lebensstil, Kommerz, politischen Haltungen und sozialem Abstieg verstellt den Blick auf die einzelnen Menschen, mithin auch auf die verbindenden Probleme der Gruppe, weil sie durch die Etikettierung vor allem die Dynamik jeder (Sub-)kultur verkennt: Wie auch immer die Zugehörigkeitsgefühle der Grazer "Punks" gelagert sein mögen, sie haben kaum mehr etwas mit der ursprünglichen, in sich bereits äußerst heterogenen Punkbewegung zu tun.

Die Jugendkultur des Punk entstand in den 1970er Jahren in England als Reaktion auf die Massenarbeitslosigkeit Jugendlicher der weißen Arbeiterklasse, als Negation der Mainstreamkultur, die sich insbesondere in einer Trash-Ästhetik und in Punk-Musik ausdrückte. Anders als andere Subkulturen war Punk nicht gegen die Werthaltungen der Gesellschaft gerichtet, mit der Utopie einer Revolu-tion der Werte, sondern als Lebensform neben der Gesellschaft, deren Mitglieder nicht den Regeln der Gesellschaft folgten, aber im Gegenzug nichts von der Gesellschaft forderten (und die auch nicht auf revolutionäre Gesellschaftsveränderungen gerichtet war).

Einerseits verstanden sich Punks als Rebellen, andererseits verweigerten sie aber eine klare Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen. Vielmehr artikulierte sich diese Rebellion in einer konfrontativen Haltung: Das Sabotieren von Erwartungshaltungen war zentral für Punk. Punk definierte sich über eine Anti-Ästhetik, die sich als Negativ zu bestehenden gesellschaftlichen Werten verstand. Diese Negation gebärdete sich dabei selbst als Massenkultur. Das Aussehen der "Punks" war kein modisches Statement, sondern ein Zur-Schau-Stellen ihres in den Körper eingeschriebenen Scheiterns als gesellschaftliche Tatsache. Die totale Negation fand ihren extremsten Ausdruck im Slogan des "No Future", das die Punkbewegung auch von anderen Jugendbewegungen oder -subkulturen unterscheidet, die zumeist ein Projekt oder eine gesellschaftliche Utopie verkörpern - im Punk hingegen wird beides negiert, mithin auch der Anspruch, überhaupt eine Bewegung darzustellen (Marcus 1996).

Aus der Phrase des Protestsongs von Quetschenpaua , den die Grazer "Punks" am Hauptplatz abspielten - "Und lass uns nicht über die Zukunft labern, so lange wir noch nicht mal 'ne Gegenwart haben" - spricht eine Negation, die das Verständnis der heutigen Punkszene spiegelt und anders interpretiert werden muss als jene, die die Punkmusik der 1970er Jahre inszenierte: Heute - und vor allem bei den "Punks" der Straße - spricht daraus eine fatalistische Desillusionierung, die aus der Erfahrung der eigenen Biografie heraus entsteht, und die nicht mehr die aggressive Provokation gegenüber der Gesellschaft vermittelt, sondern eigentlich Machtlosigkeit und Resignation zeigt: einen Lebensentwurf, der den mangelnden Zukunftsperspektiven und der Ausgrenzung in der Gesellschaft zuvorkommt, indem er Ziele von vorne herein negiert und die Perspektivlosigkeit als eigene Entscheidung darstellt.

Mit der Zuschreibung "Punk" verbindet sich durch die Exotisierung und Intellektualisierung jedoch auch eine gesellschaftliche Rolle, die in gewisser Weise Anerkennung gewährt: Durch den "Widerstand", der mit dem "Stil" verbunden wird, erhält die Lebensform den Stellenwert einer gewählten Außenseiter- bzw. Aussteigerposition, die Realitäten von sozialer Deprivation, Obdachlosigkeit, Drogenabhängigkeit und verstellten Zukunftsperspektiven überlagert und verschleiert. Diesen Nimbus unterstreichen die "Punks" und umgeben sich damit teilweise bewusst, nicht zuletzt auch deswegen, weil sie hierin einen gewissen Marktwert ihrer eigenen Person ausmachen. Die Symbolsprache des Punk ist so bis heute attraktiv für marginalisierte Jugendkulturen. Stilzitate, besonders in Bezug auf Kleidung und äußeres Erscheinungsbild sind identitätsstiftende Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Szene und deren Lebensentwurf, auch wenn die damit verbundenen Bedeutungsgehalte sich wandeln und heterogen sind. Punk-Kultur ist nicht nur als eine gewählte Haltung, sondern als eine Lebensform anzusehen, die vor dem Hintergrund biografischer Erfahrungen und marginalisierter sozialer Positionen entsteht, und in der "Punk" als alternativer Lebensentwurf eine Gruppenidentität legitimiert. Dass die faktische Lebenswelt der Grazer "Punks" mit Freiheiten nur in entferntester Verwandtschaft etwas gemeinsam hat, soll im Folgenden näher ausgeführt werden.

Jenseits des Widerstands

Die heterogene Szene, deren harten Kern 30 junge Erwachsene und Jugendliche bilden, ist weniger eine Subkultur denn vielmehr eine identitätsstiftende Gruppenstruktur, in der sich die obdachlosen und großteils alkoholabhängigen jungen Menschen wieder finden. Ihre Biografien sind von struktureller sozialer Marginalisation gekennzeichnet: von zerrütteten oder anomischen Familienverhältnissen, von Schulverweigerung, Ausbildungsabbrüchen, Arbeitslosigkeit und erheblichen Alkohol- und Drogengefährdungen. Die sich hier, am Rande des Stroms der Passanten treffen, haben zu viel Zeit und zu wenig Geld, sie verbindet die Gegenwart, eine richtungslose Zeit, die radikal auf den Moment reduziert ist. Sie haben keine Pläne, keine Termine, nehmen nicht teil am Strom der Vorüberziehenden. Das Schnorren deckt den Lebensunterhalt des Tages: Futter für die Hunde, das nächste Dosenbier. Einer setzt sich dazu, eine geht weg. Mit dem Alkohol verschwimmen die Zeitstrukturen. Es ist mehr Zeit, um über Erlebtes zu sprechen, als Dinge zu erleben; der Nachmittag vergeht über die Organisation der Bedürfnisse des täglichen Lebens.

Obwohl die Jugendlichen, die hier sitzen, eigentlich nichts tun, erscheint ihr nicht zielgerichtetes, interessen- und nutzenfreies Handeln in einer Gesellschaft, in der die Ökonomisierung der Zeit als zentraler Wert des Managements des Selbst erscheint, als eine öffentlich demonstrierte Verweigerung: das Verhalten der "Punks" verstößt gegen die Normen der Ökonomie der Arbeitsgesellschaft; ihre Anwesenheit im zentralen öffentlichen Stadtraum erscheint als Störung der legitimen symbolischen Ordnung, weil sie den öffentlichen Raum wörtlich nehmen und Raum greifen, anstatt in ihre symbolische Ausgrenzung einzuwilligen und von der sichtbaren Oberfläche zu verschwinden. Für die Punks verbindet sich mit dem Hauptplatz ("so ein schöner Platz", ein "Punk"), vor allem die ökonomische Basis, dass es hier eine besonders hohe Fluktuation von Passanten und Passantinnen gibt, die bereit sind, ihnen Geld zu geben. Diejenigen, die von den Almosen Wohlhabenderer leben (müssen), müssen sich in gemeinsam genutzte Räume begeben, und die ökonomischen Gegensätze bieten unausweichlich sozialen Sprengstoff.

Den Prinzipien des symbolischen Ausschlusses nicht Folge zu leisten, erscheint als Widerstand, als politischer Akt, und ruft deshalb mit aller Vehemenz Diskurse auf den Plan, die auf die Wiederherstellung der Ordnung gerichtet sind: Die Konstruktion einer "problematischen Gruppe" durch mediale Hetzkampagnen und politische Interessen gipfelte in der Einführung eines steirischen Landessicherheitsgesetzes, mit dem der Polizei ein Wegweiserecht gegenüber der Gruppe eingeräumt wird. Die sozialarbeiterischen Maßnahmen des Sozialamtes der Stadt Graz, mit denen die "Punks" konfrontiert sind, bezeugen, dass ihre Lebensform nicht als Jugendkultur, sondern als eine soziale Problematik verstanden wird, der mit Integrations- und Korrekturmaßnahmen einerseits, mit politischer Repression andererseits begegnet wird.

Die Problematisierung der Gruppe verschleiert aber, dass ihre Lebenssituation aus den Zwängen struktureller Ausschlussbedingungen entsteht. Sie muss als eine Reaktion auf die Chancenlosigkeit dieser Jugendlichen verstanden werden, anerkannte und existenzsichernde gesellschaftliche Positionen zu erreichen. Entgegen den Ordnungsdiskursen, die sie zu einer Gefährdung der Öffentlichkeit erklären, handelt es sich um eine Gruppe, die von sozialer Exklusion in besonderem Maß gefährdet ist. Durch die Erfahrungen familiärer Anomie und struktureller sozialer Ausgrenzungsmechanismen, Demütigungen und verstellter sozialer Perspektiven lehnen sie die Wertvorstellungen und Normen einer Gesellschaft ab, die ihnen keine soziale Anerkennung einbringen: Sie nehmen den Entzug sozialer Anerkennung vorweg. Die Selbst-Stigmatisierung einer Trash-Ästhetik wird in der Gruppe, in der andere Lebensentwürfe, andere Wertsysteme lebbar werden, zu einer Bemächtigungsstrategie, in der die faktische Situation von Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit und sozialer Marginalisierung nicht als passiv erlittener Prozess des Scheiterns, sondern als Ablehnung und Verweigerung von "bürgerlichen" Normen umgedeutet werden kann.

In dieser Perspektive lassen sich die Stilzitate einer vergangenen Punkbewegung als symbolisches Mittel verstehen, die Identität einer randständigen Gruppe als eine Identität abseits der Gesellschaft zu konstruieren. Diese Differenz, die eigentlich als Reaktion auf gesellschaftliche Ausschlussprozesse zu lesen ist, wird in den normativen Diskursen zur Devianz, die repressive oder integrative Regulierungsmuster auf den Plan ruft.

Logiken der Verwaltung

Gerade weil die subkulturellen Normen der Gruppe in Kontrast zu denen der bürgerlichen Mehrheitsgesellschaft stehen, besteht der Ruf nach Bestrafung und Unterbindung ihres Auftretens im öffentlichen Raum mittels des staatlichen Gewaltmonopols, zugleich der Ruf danach, ihnen zu helfen. Beide Sichtweisen verfolgen das Ziel, die Gruppe von der sichtbaren Oberfläche zu verdrängen: sie zu inhaftieren oder in den Untergrund zu bewegen bzw. sie zu integrieren . Foucault kritisierte bereits in den späten 70er Jahren, wie die Ökonomie der Aufklärung die Optimierung des Strafens humanitär kaschierte: Die Aufklärung zielte auf Pädagogisierung und Disziplinierung ab (Foucault 1977). Dass die soziale Arbeit heute noch soziale Disziplinierung leistet und soziale Institutionen Gefahr laufen, Fragen über Machtungleichheiten zu tabuisieren, veranschaulicht der Umgang der Stadt Graz mit den "Punks" in zweifacher Hinsicht.

In einem über das Sozialamt in Kooperation mit einem privaten Verein organisierten Arbeitsprojekt werden sie dazu angehalten, Renovierungsarbeiten, Wohnungs- und Hausentrümpelungen, Arbeiten am Zentralfriedhof oder Abfallbeseitigungen an öffentlichen Orten gegen stundenweise Entlohnung zu übernehmen. Punk - in der deutschen Übersetzung Abschaum, Dreck - ist nicht nur die Selbstbezeichnung eines subversiven kulturellen Jugendstils, sie ist zugleich eine massive gesellschaftliche Zuschreibung von außen, die symbolische Macht- und Herrschaftsverhältnisse zum Ausdruck bringt. Das, was in einer Gesellschaft als "schmutzig", "unrein", "abscheulich" betrachtet wird, hat die Funktion, Grenzen festzulegen und zu bestätigen und damit Ordnung in eine sonst chaotische Erfahrung zu bringen (Douglas 1985).

Die Analogie zwischen realem und sozialem "Abfall" hat eine jahrhundertlange Tradition und drückt sich im bürgerlichen Phantasma aus, Müll und sozial Randständige gleichzeitig beseitigen zu wollen, indem Zuständigkeiten verteilt werden: Sozial Unerwünschte werden für die Abfallbeseitigung eingesetzt. Ganz allgemein stellt es einen gesellschaftlichen Mechanismus dar, Ärmere in bestimmte Arbeitsrollen (vor allem) der informellen Ökonomie zu drängen und sie gleichzeitig einer moralisierenden Kritik auszusetzen: "Man treibt Akteure in eine aussichtslose Situation hinein und sanktioniert sie dann dafür, dass sie dort auf die einzige Weise handeln, die ihnen als Option noch offen steht" (Zilian/ Verhovsek 1998, 15).

In den Augen der Sozialarbeiter biete den "Punks" diese Arbeit Identifikation, "sie definieren sich über diese Tätigkeiten" (ein Sozialarbeiter). Nimmt man die Unterscheidung zwischen opus und molestia (Zilian 1999) auch nur einigermaßen ernst, drängt sich der Verdacht auf, dass die Übernahme dieser Arbeiten vielmehr durch Gegenleistungen wie Geld oder dem Gefühl, überhaupt gebraucht zu werden, motiviert wird, als durch "Selbstverwirklichung" oder Identifikationspotenzial mit den Tätigkeiten an sich, wie es die Sichtweise der Sozialarbeiter nahe legen will.

Die Bereitschaft der "Punks", sich in dieser Form in die Arbeitswelt inkludieren zu lassen, führt in der lokalen Arena ideologischer Kontroversen jedenfalls zu Irritationen: Zum einen müssen wohl oder übel verhärtete Vorurteile über die Faulheit junger, arbeitsloser Menschen aufgrund ihrer Demonstration von Arbeitswilligkeit hinterfragt werden; zum anderen wird der Mythos der autonomen Szene von einst, deren Existenz ja gerade darin zu bestehen schien, sich nicht einer autoritätsfixierten Dienstbereitschaft oder anderen Herrschaftsbedingungen zu unterwerfen, entzaubert. So sind die "Punks" von heute längst nicht mehr Teil einer Bewegung mit einer radikal antikapitalistischen Stoßrichtung, so sie es überhaupt jemals waren.

Die zweite staatliche Maßnahme, um die Gruppe der Grazer "Punks" zu zähmen, besteht in der fürsorglichen Versorgung mit Wohnraum. Der Magistrat Graz mietete für sie ein abbruchreifes und als Immobilienspekulationsobjekt interessantes Altbauhaus, in dem sie nun seit einigen Jahren mehr schlecht als recht untergebracht sind. Jene subkulturelle Jugendszene also, die in den 1970er und 1980er Jahren noch darum bemüht war, sich Häuser in autonomer Weise anzueignen, sitzt heute fest in einem von Sozialarbeitern, Politikern, Journalisten und anderen Vertretern des öffentlichen Lebens mit Neugierde und Interessen beobachteten und kommentierten Wohnraum.

Jene, deren Beruf darin besteht, zu helfen, handeln in anderer Absicht, aber werden zugleich in einem gesellschaftlichen Dispositiv der Regulierung instrumentalisiert. Andererseits soll es aber auch die Aufgabe einer in der Tradition einer "Krisenwissenschaft" (Schultheis 2005) stehenden Perspektive sein, eine entschleiernde Rolle einzunehmen. Ohne sie wäre auch jene Doppelbödigkeit der sozialen Arbeit mit "Punks" oder anderen Gruppen nicht verstehbar, die in den Blick nimmt, dass Sozialarbeiter - neben ihrem Auftrag zu Helfen - immer auch einen verlängerten Arm der Politik, der Eliten, darstellen.

Dementsprechend ist danach zu fragen, in welchem politischen als auch gesellschaftlichen Umfeld die Nachkommen der ursprünglichen Punkbewegung heute zu leben - oder zu überleben - haben. Mit Castel ist davon auszugehen, dass sich im Bereich der sozialen Frage der Wandel des Liberalismus (und der ihm zuzurechnenden Sozialdemokratie) hin zum Neoliberalismus mit den Begriffen einer im Namen der Integration geführten Politik zu einer im Namen der Eingliederung geführten Politik beschreiben lässt (Castel 2000). Diese begriffliche Differenzierung verdeutlicht, dass Demokratisierungsideale im Sinne des Versuchs, allen Zugang zu sozialen Dienstleistungen etc. zu verschaffen, um soziale Ungleichheiten zu verringern, ins Leere bzw. Gegenteil führten (z.B. Vester 2005). Die Eingliederungspolitik, so Castel, konzentriert sich nur noch darauf, bestimmte Bevölkerungsgruppen ins Visier zu nehmen. Sie sorgt für gesonderte Behandlungen von Problemgruppen - diese Sichtweise entspringt dem Bewusstwerden eines Heterogenitätsprinzips in einer vom Wirtschaftswachstum fortgerissenen Gesellschaft und schlägt sich in den Behandlungsmethoden oder Umgangsstrategien mit einer besonderen Gruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wie etwa den "Punks", nieder.

Betrachtet man die Summe des Geldes, die ausgeschüttet wurde, um eine Gruppe von etwa 30 Nonkonformen in den Griff zu bekommen, kann nicht von einem Rückzug des Staates aus seiner sozialen Verantwortung die Rede sein. Diese Inkonsistenz scheint sich zunehmend mit dem Anschein moralischer Tugenden zu verbinden (Zilian, 2005, unveröffentlicht). Im Bereich der lokalen sozialen Arbeit mit "Punks" kann sogar davon ausgegangen werden, dass heute mehr koordiniert, subventioniert, geplant, gesteuert und kontrolliert wird als je zuvor. Paradoxerweise nimmt sich diese staatliche Umgangsstrategie wie ein ökonomisches Kalkül aus, das sich mit kultureller Offenheit und Toleranz verbindet. Somit ist heute vor allem hinter die Oberfläche der Fürsorgepraxis des Staates zu schauen, um zu erkennen, welche Qualitäten - anstelle von Quantitäten - sich dahinter verbergen, welchen Zweck Subventionsausschüttungen haben, welches Ziel mit einer im Sinne des sozialstaatlichen Auftrags erfüllten Arbeit eigentlich verbunden ist. Zu Recht, so könnten wir schließen, nähert sich die gesellschaftliche Position österreichischer Sozialarbeiter jener von soft cops an.

Kulturen wie jene der "Punks", sind als Suche nach Alternativen zur Erfolgsgesellschaft zu interpretieren. Sie sind Ausreißer, benachteiligte Jugendliche, die sich in einem Reflex der Verletztheit Gruppen zuwenden, die ein ähnliches Schicksal verbindet, in denen sie sich ihre Anerkennung, ihr Vertrauen und ihre Zugehörigkeit nicht erst erwerben brauchen. Damit ist die Erfolgsgesellschaft selbst für jenes Phänomen verantwortlich, gegen das sie so ratlos auftritt. Die Einblicke in die Lebenswelten der Punks machen die Aporien der Freiheit, die Schattenseiten von Individualisierung, sozialer Ausdifferenzierung und Ökonomisierung auf beklemmende Weise deutlich.