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KLIMA – ein komplexes Thema, das uns alle beschäftigt. Vom Klimawandel zur Klimakrise, vom Klimawahn bis zur Klimalüge, von der Klimaforschung zu Klimapolitik und Klimaregimen über den Klimaaktivismus bis hin zum Klimaprotest.

Das Thema Klima genauso wie auch die aktuellen Diskussionen rund um seine kulturellen und sozialen Dimensionen sind vielfältig und reichen weit in die Welt des Alltäglichen. Klima spüren, beeinflussen, diskutieren und verhandeln wir. Es wird versucht, die Debatten darüber anzuregen oder auch zu unterdrücken, zu fokussieren oder den Fokus zu verschieben. Dabei ist der Klimadiskurs geprägt von Handlungsverantwortlichkeiten unterschiedlicher Akteur:innen: die Politik, die handeln muss; die Einzelnen, die ihre Gewohnheiten ändern müssen; das Kollektiv, das gemeinsam Veränderungen schaffen soll; die Wissenschaft, die ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen und Impulse zu einer Veränderung geben soll. Auf staatlicher wie zivilgesellschaftlicher Ebene wird Handlungsfähigkeit wie -möglichkeit gefordert. Diese sind jedoch ungleich verteilt und so werden die Perspektiven und Stimmen aus dem globalen Süden wie auch von marginalisierten Bevölkerungsgruppen großteils ausgeblendet und überhört.

Die vorliegende Ausgabe des Kuckuck wagt einen Blick aus unterschiedlichen Perspektiven und Fachzugehörigkeiten auf verschiedenste Handlungsmöglichkeiten sowie die Fragen, wie wir uns Klima als Forschungsgegenstand und -feld annähern können und was wir als Kultur- und Sozialwissenschaftler:innen einbringen können, um die damit verbundenen soziokulturellen Prozesse verständlich und begreifbar zu machen. Dieses Heft versammelt theoretische Überlegungen und Auseinandersetzungen mit Klima genauso wie empirische Forschungen, die das Wissen, die Praktiken und Strategien unterschiedlicher Akteur:innen sichtbar und die gegenwärtige Bedeutung von Klima im gelebten Alltag fassbar machen. Neben einem Fokus auf sozioökonomische und -politische Aspekte im Kontext von Klima wird auch den sozialen und kulturellen Kohärenzen nachgespürt.

Wie wir Klima verstehen und wissen, wird uns nicht nur sprachlich oder textlich vermittelt, sondern auch visuell. Tobias Becker eröffnet diesen Band, indem er einen genaueren Blick auf die sogenannten Warming Stripes richtet und der Frage nachgeht, wie sich über visuelle Evidenzstiftung mittels Grafiken statt Graphen auch die Art und Weise wandelt, wie wir Klima wissen und Klima(wandel) nicht nur abbilden, sondern auch durch dessen kulturelle Konzeption selbst mitgestalten.

Valeska Flor beschäftigt sich aus kulturanthropologischer Perspektive damit, wie soziale Bewegungen andere Gruppen entlang von Klimawissen motivieren, im Hinblick auf Fragen zu Klima- und Generationengerechtigkeit zu agieren und inwiefern Klimawissen kompetitiv und teils konflikthaft ausverhandelt wird.

Eine Fridays-for-Future-Demonstration in Tokio führte Anna Monsberger zu einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit dem Thema Klimagerechtigkeit. Dabei übt sie nicht nur Kritik an mangelnder Repräsentanz von primär betroffenen Akteur:innen der Klimakrise, sondern gibt auch Anstoß zu Überlegungen, „wie transformative Strategien inklusiv(er) werden können, um insgesamt der Realität und Diversität verschiedener Kämpfe gerecht werden [...] können“.

Daran anschließend zeigt sich auch das Hauptanliegen des Beitrags von Lena Hennes und Alessio Thomasberger: „Klimaproblematik als strukturelles (gesellschaftliches) Problem darzustellen“. Durch eine intersektionale Perspektive können einerseits Herrschaftsstrukturen offen gelegt werden und andererseits lässt sich dadurch Potenzial für neue Lösungsansätze, die möglicherweise über anthropozentrische Ansätze hinausgehen, erkennen.

Dass Klimaschutz eben nicht unpolitisch ist, stellen auch Lisa A. Pichler und Tabea Christa dar und machen deutlich, dass in den zahlreichen Debatten um Klima- und Umweltschutz nicht vergessen werden darf, dass diese auch genutzt werden, „um emanzipatorische Prozesse und Kämpfe – ob anti-rassistische, feministische oder anti-kapitalistische – einzuschränken“ und fordern uns alle auf, „wachsam zu werden, wenn Umweltaktivisten*innen faschistische Ansichten vermitteln“.

Wie im digitalen Netzwerk von Klimatwitter der Klimawandel als Klimakrise erzählt wird und dabei historische wie auch globale postkoloniale Zusammenhänge großteils ausgeblendet werden, kann im Podcast-Beitrag von Jenny Oliveira Caldas, Klara Nagel und Jonas Wahmkow nachgehört werden, welcher auf der Website des kuckuck zu finden ist.

Die ethnographische Forschung von Catharina Lüder und Christiane Schwab rund um die Nachhaltigkeitsinitiative Essbare Stadt macht deutlich, „wie Klima- und Nachhaltigkeitswissen auf lokaler Ebene hergestellt und vermittelt wird und vor welchen Herausforderungen das Einbinden lokalen Wissens in etablierte Verwaltungsabläufe steht“. Dabei betonen sie auch die Rolle von Kulturwissenschaftler:innen, die „gemeinsam mit den Beteiligten ausloten, welche Maßnahmen der Kooperation, des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung lokal sinnhaft angewandt werden können.“

Ebenfalls empirisch nähert sich Alexandra Hammer dem Thema Flaschenmilch und fragt dabei, in welcher Weise sich materielle und immaterielle Elemente innerhalb der Debatten und Praktiken rund um Milch in Flaschen als (potenziell) klimafreundlich ranken. Dabei schlussfolgert sie, wie wichtig eine Sensibilisierung von den sich wechselseitig überlagernden und ineinandergreifenden Konzepten ist, mittels derer ein Ausloten von auch zukünftig tragfähigen (Konsum-)Praktiken stattfindet.

Welche Auswirkungen die globale Klimaerwärmung auf den Weinbau hat und wie die Strategien der Winzer:innen individuellen Aushandlungs- und Abwägungsprozessen unterliegen, stellt Julia Kleine-Bley anhand ihrer Forschung in Rheinhessen dar. Dabei wird einmal mehr deutlich, die „globale Klimaerwärmung betrifft alle, aber sie betrifft alle auf unterschiedliche Weise“ und dies zeigt sich besonders im Blick auf alltägliche Aushandlungen.

Dies tut auch Janette Helm, wenn sie die Mitarbeiter:innen eines Abfallwirtschaftsbetriebs fragt, was diese eigentlich über unseren Müll, den sie abholen oder auf Wertstoffhöfen annehmen, denken und welche Rolle dabei der Klimawandel in ihrem Privatleben wie auch Arbeitsalltag spielt.

Cornelia Kühn versucht anhand ihrer Forschung zu gemeinwohl-bilanzierten Unternehmen herauszuarbeiten, welchen Einfluss die politische Lenkung des Staates auf gesellschaftliches Wohlbefinden und konkretes Handeln Einzelner hat, welche sich im Spannungsfeld zwischen den ethischen Vorstellungen der Unternehmen, wirtschaftspolitischen Strukturen und tradierten gesellschaftlichen Mustern bewegen.

Ebenfalls mit konkreten Umsetzungsstrategien und -herausforderungen beschäftigt sich der Beitrag von Ursula Fatima Kowanda-Yassin, welcher einen Überblick über die Nachhaltigkeitsbestrebungen in Moscheen sowie muslimischen Communities gibt. 

Tessa van der Staak ging in Oslo der Frage nach, “how young adults in Norway “deal” with climate change on an everyday basis”, und zeigt dabei auf, dass Klimawandel nicht nur ein messbares Phänomen ist, sondern auch “an idea with a social life of its own” und “the idea itself is impacting people’s lives, choices and thoughts”.

Ausgehend von der These, dass unsere Befindlichkeit in den Klimawandel eingelassen ist und unser Nachdenken und Erzählen über das Klima von Stimmungen getragen wird, führt Oliwia Murawska eine Kategorie ein, die diese Einlassung des Menschen in den Klimawandel und des Klimawandels in den Menschen beschreibt und der Klimawandelerfahrung des Alltagsmenschen Rechnung trägt: die Klimawandelstimmung. Mit ihrem autoethnographischen Ansatz stellt sie dar, wo und wie sich der Klimawandel im Alltag zeigt und wie sich Wetter- und Landschaftserleben im Lichte der Klimawandelstimmung transformieren kann.

Mit einer ganz anderen Form des Umgangs mit dem sich verändernden Klima beschäftigt sich Sonja Windmüller, nämlich dem proaktivem Eingreifen im Sinne von Wetter- und Klimamodifikationen. Die Auseinandersetzung mit den konkreten Ausgestaltungen der Klimamodifikation(svorstellung)en zwischen „climate fears“ und „climate fantasies“, den jeweiligen Plausibilisierungsstrategien wie auch den Konfliktlinien und den gesellschaftlichen Dynamiken, in denen sie sich bewegen, ist für sie nach wie vor Aufgabe einer kulturwissenschaftlicher Annäherung.

Timo Heimerdinger widmet sich der „Reizvokabel“ Verzicht, ihrer Meidung in politischen Debatten und fragt, worin eigentlich ihre inhaltliche Zumutung liegt. Dabei vertritt er die These, dass es in ihrer unscharfen, assoziativ irreführenden und ungenauen Verwendung liegt, und stellt fest, dass der Begriff semantisch oft mit drei benachbarten Begriffen – Verlust, Verbot, Enteignung und in der Folge dann auch Mangel und Ungerechtigkeit – verwechselt bzw. unmittelbar in Verbindung gebracht wird und somit Assoziationen aufruft, die auf falsche Fährten führen.

Ein ebenso emotionaler Begriff wie auch Zustand innerhalb der Diskussionen um Klima- und Umwelt – die Scham – steht im Zentrum der Überlegungen von Franziska Peikert. Im Rahmen einer multiperspektivischen Forschung in Präsenz- und Onlineräumen beleuchtet sie in ihrem Beitrag Verurteilungen und Schamforderungen von verschiedenen Seiten, die auf alle Ebenen des Alltags zielen, deren Austausch prägen und auf das Konfliktpotenzial im Klima- und Umweltdiskurs verweisen.

Neben der Scham, zu viel zu fliegen oder zu wenig Zug zu fahren, kann uns aber auch noch ein ganz anderes Gefühl überkommen – Paolo Raile beschäftigt sich mit Eco-Anxiety, also den Ängsten, die aus der langfristigen Beobachtung der Einflüsse des Klimawandels entstehen, und legt seinen Fokus dabei auf Selbsthilfegruppen in sozialen Netzwerken. 

Zum Abschluss nimmt uns Christian Elster mit auf eine Reise an die Südsee und beschreibt das Surfen und eine Welle als Verhandlungsgegenstand von Klimadebatten. Mit kritischem Blick auf „die Ästhetisierung des vermeintlich Fremden“ offenbaren sich auch die „zahlreiche Verstrickungen, die auf die Komplexität globaler Naturereignisse und deren gegenwärtige kulturelle, ökonomische und politische Relevanz verweisen“.

Die Aktualität wie auch Dringlichkeit, sich mit diesen Verstrickungen auch sozial- und kulturwissenschaftlich zu beschäftigen, wird besonders in der Vielfalt und Anzahl der eingereichten Beiträge sichtbar (die wir trotz doppelter Heftstärke leider nicht alle aufnehmen konnten) und macht etwas sehr deutlich: Klima geht uns alle an.

Wir wünschen anregendes Lesen, Hören und Blättern.

Mateja Marsel
Sabrina Stranzl