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„Das Herz hat ein Verstehen, das den Verstand nicht kennt“ (Blaise Pascal)

Damit mag sich erklären, weshalb das Thema selbst den Kulturwissenschaften kein Thema ist. Nicht nur dieses Faktum reizte uns leidenschaftlich Aufgeklärte. Auch wenn man darüber nicht schreibt, so spricht man über sie, zumindest über ihre verformten, deformierten, ihre eruptiven oder krankmachenden – oder auch ihre verkümmerten Formen: Leidenschaften in Talk-Shows, Leidenschaften in Süchten, Leidenschaft in Gewaltausbrüchen. Die Herrschaft der Leidenschaft hat sich auch in einer zunehmend rationalisierten und verwalteten Zeit nicht besiegen lassen. Im Gegenteil. Daß in einer Gegenwart der Technologien, der wirtschaftlichen und der wissenschaftlichen Beherrschung des Alltags, die für spontane Gefühlsäußerungen keinen Platz vorsieht, Leidenschaften unterschiedlichster Art an den negativen Auswüchsen ihrer Verdrängung zunehmend auffällig werden, war ein zusätzlicher Anreiz, uns dem Thema zu stellen. Was ist Leidenschaft – ein Gefühl, das sich Zeit nimmt, um sich tief einzuwurzeln. Und so heftig Leidenschaft auch sein mag, sie kalkuliert, um ihren Zweck zu erreichen; ein Strom der sich in seinem Bett immer tiefer gräbt – so oder so ähnlich formulierte es Kant.

Eine psychische Grenzerfahrung, die die Gefühle ergreift, aufregend und erregend, behar­­­rlich und meist unüberwindlich ist. Die Triebfeder der Leidenschaft mag zwar körperlicher Natur sein, der wir ausgeliefert sind, gleichzeitig sind unsere Leidenschaften aber auch Produkte ganz bestimmter sozialer Verhältnisse und kultureller Bilder, Vorstellungen und Wünsche, die sie wiederum schaffen – mag es um leidenschaftliches Spielen, Sammeln, Lieben, Malen oder was auch immer gehen. Unser erster Beitrag steht für die Tatsache, daß Leidenschaft ein genuin literarisches Thema ist. Heinz Schilling spürt den großen Gefühlen der kleinen Bürger in der Literatur nach und entdeckt sie als „Defizitkompensation“, als kalkulierte Dimension in einer Fassadengesellschaft hier – und dort aber auch als dramatischer Ausbruch aus der Welt der Kleinbürgerlichkeit, als Verschwendung, Sehnen und Hoffnung zugleich: die Literatur gibt Zeugnis von ihrer kulturstiftenden Dimension. Daß selbst die aufgeklärte Wissenschaft nicht frei von Leidenschaft agiert, und – wie im Falle der ethnologischen Feldforschung – eine ganz spezielle Beziehung zu ihr unterhält, das wird uns mit Henk Driessens Beitrag ins Bewußtsein geholt. Wenn Menschen Menschen studieren, spätestens dann wird deutlich, daß es dem rationalen Wissen nicht gelungen ist, die Leidenschaft zu vertreiben. Eine andere Annäherung an ihre Kraft – aus der Position des ethnologischen, kultur­wissenschaftlichen Blicks und des künstlerischen Tuns – stellt das Gespräch zwischen mir und der Malerin Ulrike Körbitz dar.

 

Wohl die verbreitetste, die hartnäckigste, die brennendste, die alles in Schutt und Asche legende Leidenschaft ist die der Liebe. Die Passion des Liebeskummers, die „plötzlich hereinbricht wie ein Hund“ und sich an das Ende der Liebes-Leidenschaft krallt, so Jonas Grutzpalk in seiner soziologischen Betrachtung, ist ein fait social, der nicht nur Leiden schafft. Silke Andris erzählt von der nächtlichen Leidenschaft jugendlicher Sprayer, die sich im Rausch der Gefühle mit aggressiver Provokation und kreativer Lust – was könnte leidenschaftlicher sein – in die Stadt einzeichnen. „Solange es am Abend dunkel wird, solange wird es die Writer nach draußen ziehen und nur ein intervallartiges Zischen auf dem von Bahngleisen eingeschlossenen Gelände signalisiert der Umwelt den nächtlichen Farbrausch.“ Daß wir uns dem Thema Leidenschaft durchaus nicht nur aus der Distanz nähern wollten, sondern auch selbst begeistert der Leidenschaft verfallen sind, dafür steht nicht zuletzt die Lyrik von Sandra Buchgraber und Christoph Dolgan; die Form, in der sich Leidenschaft doch immer gut aufgehoben versteht.

Elisabeth Katschnig-Fasch